Bühnenpräsenz leicht gemacht

Geahnt hab ich´s immer schon, aber jetzt gibt es sogar ein Buch darüber: den Stage Performance Guide für Bluegrass-Bands. Der Autor Mark A. Johnson erklärt, dass es eben nicht nur auf die Musik ankommt, die da von der Bühne tönt: Das Publikum möchte unterhalten werden und eine emotionale Bindung zur Band aufbauen, und dazu bedarf es mehr als nur Musik. Und er fährt fort: Was bei einem Konzert zusätzlich zur Musik passiert, ist letztlich genauso wichtig wie die Songs selbst.

Wie man das, was einem fehlt, allerdings per Buch lernen soll, vermag ich in Unkenntnis des Werks nicht zu beantworten. Der Inhalt scheint jedenfalls eine Menge abzudecken: wie man das Publikum auf seine Seite zieht, wie man selbstsicher wirkt auf der Bühne, ohne arrogant rüberzukommen, wie man mit Bühnenangst umgeht, wie man Pannen begegnet und wie man Humor einsetzt – klingt nach dem großen Rundumschlag. Vielleicht gibt´s ja erstmal ein paar Leseproben, wenn man Johnson anschreibt: stageperformanceguide@cox.net. Ansonsten: Wer das Buch haben möchte, bezahlt für die Pdf-Datei lediglich 15 US-Dollar. Wenig Geld für eine Entertainer-Schule. Wenn´s klappt.

Lloyds Gitarrencrash

Besondere Instrumente sind eine feine Sache. Sie sind selten und wachsen einem über die Jahre ans Herz. Und die meisten Künstler möchten sie auch spielen, nicht nur im Studio, sondern ebenfalls auf der Bühne. Und da beginnen die Probleme. Und die Angst setzt ein, die Angst um die Existenz der geliebten Mandolinen, Gitarren, Banjos – was auch immer. Denn gerade professionelle Musiker müssen ihre Instrumente oft einem Flugreisestress aussetzen, dem schon manche Rarität zum Opfer gefallen ist. Denn offenbar schaffen es die Güterabfertiger so mancher Airline, Instrumente komplett zu zerstören. Die Beispiele sind inzwischen zahllos und es gibt Songs über Fluglinien, die Gitarren zerlegen. William Ackerman beispielsweise wurde seine Froggy-Bottom-Gitarre in einem Calton-Case atomisiert – es bleibt rätselhaft, wie so etwas möglich ist.

Ähnliche Geschichten erzählt der englische Sänger und Songschreiber Lloyd Cole auf seiner Website. Er formuliert es drastisch und nennt die Gepäckarbeiter der Airlines „Tiere“. Dieses Jahr wollte er seine alte Taylor K-22 neu besaiten, klappte den Calton-Koffer auf und fand den Hals beschädigt! Was in ihm einen Prozess ausgelöst hat, mit dem Ergebnis, dass er seine geliebten, aber unersetzlichen Gitarren nur noch im Studio benutzt. Für Tourneen hat er sich inzwischen mit neuen Instrumenten der Marke Guild ausgestattet – kommen zwar aus China, funktionieren aber offenbar sehr gut. Und sind ersetzbar. Die ganze Geschichte steht in seinem Weblog.

Hat ihn diese Erfahrung vielleicht seine jüngste CD Broken Record nennen lassen? Darauf sind auch ein paar Songs mit Mandoline zu hören – also wieder ein Kapitel der Marke Mando und Pop. Wer nachhören möchte – Kostproben hier. Mando-Content in Westchester County Jail und Rhinestones. Und was ist nun mit zerbrochenen Mandolinen nach Flugtransport? Auch bekannt? Mike Marshall hat seine alte Lloar jedenfalls immer dabei, wenn er nach Europa reist. Mutiger Kerl. Da würd ich mir doch lieber ne Kentucky als Reisemandoline …


Zerrbild des Grauens.

Hat Immerglück immer Glück?

Auf den Spuren der Rock-Mandoline kann es passieren, dass man irgendwann über David Immerglück stolpert. Der US-Amerikaner mit dem österreichischen Nachnamen hat seine Spuren in diversen Bands hinterlassen, unter anderem bei den unvergleichlichen Camper van Beethoven und den Counting Crows. Auf deren hervorragendem Debütalbum August And Everything After von 1993 trägt seine Mando deutlich zur Musikfarbe vieler Songs bei. Nun ja, und dann war er mit den Nashville Queens auch in Deutschland: zur Begleitung von John Hiatt. Und bei dessen Cry Love gibt eine offenbar alte Gibson den Ton vor. Wie in dem Video deutlich zu sehen, spielt in der Band jedoch nicht eine einzige Queen mit! Ist das jetzt unlauterer Wettbewerb?

Grinsender Nachwuchs

Während chinesische Kinder von kleinauf gebogen und gezogen werden, damit sie später als Olympiasieger im Kunstturnen ganz oben auf dem Treppchen stehen, scheinen brasilianische Eltern ihrem Nachwuchs zeitig die zarten kleinen Finger auf Stahlsaiten zu setzen und sie mit Elektroschocks zu schnellen Bewegungen zu zwingen. Wie anders ist es zu erklären, dass beispielsweise dieser freche kleine Kerl, elf Jahre alt, derart spielt und auch noch den coolen Max mimt? Bandolim hin, Bandolim her: Muss man dabei so frech grinsen? Aber so isser, der Brasilianer: immer munter musizieren und dann, wenn er groß ist, den Frauen hinterherpfeifen. Ton ab.

Wüst und live im Radio

Mit Riesenschritten nähert sich der Starttermin fürs diesjährige Bluegrass-Jamboree: vom 3. bis zum 18. Dezember werden Michael Cleveland & Flamekeeper, Jeff & Vida sowie Shotgun Party jeden Abend irgendwo in Deutschland spielen – die Termine finden sich hier. Wenn aber nun kein Konzertort in der Nähe ist? Oder plötzlich alles in Schnee versinkt? Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder vor Gram im Schnaps ertrinken oder sich vors Radio setzen. Das Eröffnungskonzert am 3. Dezember in Reutlingen etwa wird live via Wüste Welle Tübingen übertragen, per Antenne, Kabel oder Internet. Und wer hier klickt, für den öffnet sich der Sender unmittelbar.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, eine Aufzeichnung des Konzerts in der Harmonie, Bonn, auf WDR 3 zu verfolgen. Ein Sendetermin steht allerdings noch nicht fest. Nur eins ist schöner – persönlich mit von der Partie sein.

Mandos aus dem Kaiserreich

Ach, unser Adel! Zu Guttenberg! Graf Lambsdorff! Im WDR-Fernsehen kochen uns blaublütige Damen was vor – da hat das Personal dann mal frei! Ja wenn wir doch wieder einen Kaiser oder zumindest einen König hätten! Oder das Kaiserreich nie zusammengebrochen wäre! Dann hätten wir jetzt in einer unserer Kolonien eine florierende Mandolinenproduktion. Jawohl. Von vielen Künstlern und Kennern wie Adam Steffey und Aaron Ramsey (Mountain Heart) hoch gelobt, werden Northfield Mandolins dort gebaut, wo heute noch die aus Gelsenkirchen stammenden Kanaldeckel liegen: in Quingdao oder, wie es früher hieß, Tsingtao – zu Kaisers Zeiten deutsches Kolonialgebiet. Die Brauerei dort genießt heute noch legendären Ruf.

Und jetzt: Bluegrass-Mandolinen der Marke Nordfeld. Gegründet wurde die Werkstatt vom ehemaligen Produktentwickler der Firma Saga Musical Instruments, Adrian Bagale. Ein weiterer Firmensitz befindet sich in den USA, in Marshall/Michigan. Dort geht es aber nur noch um letzte Feinarbeit und das Setup der Instrumente. Die kleine Firma gehört einer Gruppe von fünf Leuten, einer davon Bagale, der die Hintergründe zu Northfield ausführlich auf der Facebook-Seite schildert. Die Loblieder der Profis, Fotos, Hörbeispiele und ein Video mit Adam Steffey gibt´s auf der Website des Unternehmens. Dass die Preise für die beiden F- und die beiden A-Modelle sehr attraktiv sind, scheint bei dieser Konstellation China-USA auf der Hand zu liegen.

Nordfeld von hinten.

Der Sommer ist fast vorbei

Wie errichte ich in Windeseile eine Brücke zwischen Jethro Burns und Rudi Carrell? Indem ich Folgendes notiere: Rudi sang bekanntlich die deutsche Version von City Of New Orleans, das Steve Goodman geschrieben hat. Und jener Steve war der zweite langjährige musikalische Partner von Jethro Burns – fertig! Burns legendärer Kumpan Henry D. Haynes (Homer) im Duo Homer and Jethro, mit dem er seit 1932 auf der Bühne gestanden hatte, war 1971 gestorben. Einige Zeit später fand Jethro in dem Songschreiber aus Chicago einen neuen, wesentlich jüngeren Mitstreiter.

Die beiden hatten die Lacher schon auf ihrer Seite, wenn sie nur die Bühne betraten: Jethro Burns ein Hüne, Steve Goodman ein Hänfling im Vergleich. Doch es passte offenbar zwischen ihnen, zumindest waren Burns und seine Mandoline auf zahlreichen LP-Veröffentlichungen Goodmans zu hören. Doch 1984 verlor Jethro auch diesen Partner: Steve Goodman starb am 20. September an Leukämie. Dessen Musik allerdings bleibt und birgt so manche musikalische und humoristische Überraschung – etwa wenn er sich in The Twentieth Century Is Almost Over über das moderne Kirchenlied lustig macht. Und Spaß haben die beiden auch hier:

Zweierlei Legenden

Es ist die Hölle, eine Legende zu sein – besonders, wenn man noch lebt: Dieses hübsche Zitat stammt von Kenneth „Jethro“ Burns. Und wie es beim Saxophon die Coleman-Hawkins-Schule und die Lester-Young-Schule gab, bildeten Bill Monroe und Jethro Burns die beiden Pole, um die sich in den 50er-Jahren die Mandolinenwelt drehte. Wobei Burns der Virtuosere der beiden war. Den Halbwüchsigen Sam Bush und David Grisman flößte sein Spiel in den 1960ern Respekt ein.

David Grisman erinnert sich: Um 1965 kaufte sich einer seiner Freunde die Homer&Jethro-LP Playing It Straight. Die beiden eilten nach Hause, legten gleich in froher Erwartung die Platte auf, ohne zu bemerken, dass der Plattenspieler noch auf 45 rpm eingestellt war. Nun handelte es sich beim ersten Stück If Dreams Come True um ein eher langsames Werk, und dennoch: Grisman geriet aus dem Häuschen – wenn auch zunächst aufgrund einer technischen Panne. Die bleibe allen erspart beim Gucken des Videos. Den Mann an der Gitarre kennt keiner, aber beim zweiten Mandolinenmann handelt es sich wohl um Donnie Stiernberg. Die Musik startet bei 1:50.

Holz ist cool

Heute abend in Köln das letzte Konzert seiner Deutschland-Tour, sei hier mal Seth Lakeman zitiert:

Instrumente aus Holz sind wieder cool, Banjos, Mandolinen, Akustikgitarren und Violinen sind wieder richtig beliebt, sodass ich sehr froh bin, meiner Sache treu geblieben zu sein.

Klingt sehr schön, aber ob es auch stimmt? Immerhin scheint es ein nicht unbedeutender Musiker aus England so wahrzunehmen. Also will ich es einfach mal stehen lassen – als gutes Zeichen für uns alle.

Festival samt Legende

Vor einiger Zeit hatte ich was läuten hören, nun steht es auch offiziell fest: Doyle Lawson & Quicksilver sind die Headliner beim neunten Bühler Bluegrassfestival 2011! Damit kommt einer der frühen Mandolinen-Heroen aus den USA nach Deutschland, und wer seine Band kennt, weiß, dass auch die übrigen Musiker Meister ihres Fachs sind und natürlich einen satten mehrstimmigen Gesang hinlegen. Wer den Altmeister also mal live sehen möchte, sollte sich den 14. Mai 2011 reservieren und abends das Bühler Bürgerhaus aufsuchen. Dort werden außerdem die Toy Hearts aus England und Redgrass aus Kanada auf der Bühne stehen.

Bereits am Nachmittag jenes Samstags spielen Special Consensus um Greg Cahill im Bürgerhaus Neuer Markt. Wer darauf spekuliert, dort Ashby Frank an der Mandoline zu erleben, sei informiert: Seine Stelle bei SC hat Rick Faris übernommen. Was den Eindruck verstärkt, dass es sich bei der Band um eine Musiker-Förderanstalt unter Leitung von Greg Cahill handelt. Aber gute Musik machen sie allemal. Das vollständige Programm lässt sich auf der neu gestalteten Website des Festivals studieren.

Trost durch Musik

Musik kann Trost spenden. Den haben in den USA nun diejenigen bitter nötig, die auf Seiten der Demokraten stehen oder die rechten Republikaner einfach nicht ertragen. Jenen bietet No Depression eine Liste mit aufbauenden Songs, die über die übelsten Depressionen hinweghelfen mögen. Autor Dustin Ogdin spricht außerdem über die Absurdität, dass ein Volk von mehr als 300 Millionen Einwohnern von lediglich zwei Parteien repräsentiert wird – wat willste machen?

Heute schon ans Christkind denken

Früh schon zieht die Dunkelheit herein, Winde wehen und der Regen peitscht die Blätter von den Bäumen. Nicht mehr lange, und das Grauen bekommt wieder einen Namen: Weihnachtsmärkte! Aaaaaah! Aber halt! Einen Weihnachtsmarkt möchten wir ausnehmen – den am 12. Dezember im Bürgerhaus Kaltenkirchen. Was es da alles gibt! Festlich beleuchtete Mandolinen von Eastman, Kentucky, Breedlove und The Loar! Auf Tannenzweigen drapierte Tonabnehmer von Schatten Design! Dazu zieht der holzige Duft von frischen Martin-Gitarren umher, und die Gitarrenbauer Andreas Köpke und Karsten Schnoor demonstrieren ihre uralte Handwerkskunst! Na gut: Es handelt sich nicht wirklich um einen Weihnachtsmarkt, sondern um die große Sonderschau von Martins Musikkiste zum 20-jährigen Bestehen. Aber weihnachtlich wird mir trotzdem zumute – so viele feine Geschenke auf einem Haufen, ach wenn mir doch jemand was Schönes mitbrächte. An Martin und Anja Hense: herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!