Nix buena vista auf die USA

Mit einer neuen CD mischt sich Ry Cooder in den US-amerikanischen Wahlkampf ein: Election Special heißt das Album mit neun politisch geprägten Tracks. Dabei geht es um Guantanamo, Mitt Romney und die Finanzkrise. Offenbar musste Ry Cooder seinem Ärger und seiner Hilflosigkeit Luft machen, dem ganzen Wahnsinn etwas entgegensetzen – trotz der Schwäche eines einzelnen Menschen. Dann ist es wenigstens raus, obwohl sich dadurch nichts ändert. Im für den Deutschlandfunk geführten Gespräch mit Michael Kleff zeichnet Cooder ein düsteres Bild der Zustände in den USA, wo Rassismus um sich greift, während in Washington ein Schwarzer Präsident ist. Das Soziale wird von einem Geldstrom weggespült, alles an den Höchstbietenden verscherbelt. Angesichts der Macht des Geldes resigniert auch Ry Cooder:

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, was ich mache. Ich sitze mit meiner Mandoline und meiner Gitarre im Haus und warte auf eine gute Idee. Wenn ich dann ein paar gute Songs habe, rufe ich Joachim [Cooder], um sie vielleicht aufzunehmen. Was sonst kannst du denn machen.

Immerhin: die Mandoline als Trostspender. Und auf Election Special prägt sie gleich mehrere Songs. Was ein schönes Klangbild ergibt, aber die Wut und Energie der Stücke keineswegs herabsetzt. Soundclips gibt´s u. a. bei Cooders Label Nonesuch Records, The Wall Street Part Of Town dort in voller Länge. Das gesamte Interview zum Nachlesen und zum Nachhören findet sich auf der Website des Deutschlandfunks – wo allerdings in der Schriftform aus Cooder Cooders wurde: Leute, werft doch nicht so achtlos mit den s um Euch!

Guten Morgen, Covered Grass

Das Jahr wird immer verrückter für die rheinische Bluegrass-Band Covered Grass – jede Menge große Festivals gespielt, an diesem Wochenende folgt noch das Bluegrass-Festival im nordirischen Omagh, Ende September zur IBMA nach Nashville, und dann das: Die Band schreibt ein Stück namens Goodnight John-Boy – eine Reminiszenz an die TV-Serie Die Waltons -, das Lied verbreitet sich (vor allem per Internet), und irgendwie kommt es dazu, dass Covered Grass plötzlich eingeladen werden, auf der Jubiläumsfeier zu 40 Jahren Waltons in Los Angeles zu spielen! Da die Band in diesem Zeitraum sowieso gerade in Nashville weilt, bietet es sich förmlich an, der Einladung zu folgen. Der Haken dabei: Die Flüge von Nashville nach L. A. werden nicht bezahlt. Um den Ausflug trotzdem zu realisieren, hat die Band eine Sponsoring-Aktion initiiert. Alles Weitere dazu findet Ihr hier. Und weil es ja irgendwie dazu gehört, folgt hier noch das Video zum Song, der das alles schuld ist. Obwohl ich wahrlich kein Walton-Freund war und mir diese Hackfressen immer auf den Geist gingen. Aber es kam halt nichts Anderes. Und geglotzt werden musste. Was hat man sich bloß alles angetan!

Mandolinenspieler mit Vergangenheit

Nun ist der Sommer zwar gerade nicht mehr so intensiv, aber egal: Wir schreiben heute Freitag, Wochenende, hinaus ins Freie! Dazu begleitet uns Mandolinenfreund Guntmar Feuerstein. Denn der hat eine Vergangenheit. Nein, jetzt gerade nicht die mit L.Bow Grease. Nein, die mit den Strandjungs ist gemeint! Die waren Mitte der 1980er-Jahre groß, sogar Nummer 1 in der ZDF-Hitparade, und Guntmar stand im Mittelpunkt. Heute macht der Bochumer ganz andere Musik und holt Bluegrasskünstler ins Ruhrgebiet, beispielsweise weiland Special Consensus. Und irgendwie sieht er heute auch ganz anders aus als damals – doch wer von uns tut das nicht nach bald 30 Jahren Differenz? Aber die rote Halbakustische, die benutzt er offenbar immer noch.

Bald sind auch wir Dummies

In Kürze soll auch unser Lieblingsinstrument Mitglied der großen Dummie-Familie werden: Das Buch Mandolin For Dummies findet sich jedenfalls in der Vorankündigung bei Amazon. Dort ist als Erscheinungstermin zwar der 17. August genannt, doch der ist ja bereits vorüber und das Buch dennoch nicht lieferbar. Amazon USA nennt mittlerweile den Termin 19. September. Also hat Autor Don Julin womöglich noch letzte Hand anlegen müssen (kürzen!) oder der Verlag lässt sich beim Editieren mehr Zeit. Naja, schlecht wird der Inhalt ja dadurch nicht. Die Erwartungen ans Buch sind recht hoch: Es soll sich nicht nur an komplette Anfänger, sondern auch an Fortgeschrittenere wenden. Vor allem soll es stilistisch breit aufgestellt sein, neben Bluegrass auch Celtic und Swing berücksichtigen. Im Mandolin Café wird schon diskutiert. Ob Mandolin For Dummies jemals ins Deutsche übertragen wird, stelle ich mal in Frage. Wenn´s so wäre, wär´s schön. Aber wir sind ja das Englische gewöhnt – zwangsläufig, bei diesem Instrument.

Bühlgrass: von zwei auf eins

Im Norden haben wir immer gedacht: Die Gemeinden im Süden, die sind irgendwie reicher als unsere. Offenbar aber fehlt auch dort das Geld, das – so der Eindruck – weltweit in Milliardenstapeln hin- und hergeschoben wird. In Bühl ist aber keine Milliardenüberweisung gelandet, und das wird jetzt einem der renommiertesten europäischen Bluegrass-Ereignisse zum Nachteil, dem Internationalen Bühler Bluegrass Festival. Es wird 2013 nicht mehr an zwei Tagen, sondern nur noch am Samstag, 4. Mai, stattfinden. Das dürfte in Bluegrass-Kreisen zu langen Gesichtern führen, und Festival-Mastermind Walter Fuchs war alles andere als amüsiert über diese Entscheidung der Stadt, die das Ereignis zuletzt mit einer Summe von 22.000 Euro bezuschusst hat. Dabei hätte womöglich ein Teil des Defizits durch höhere Eintrittspreise aufgefangen werden können. Ein Zurück scheint es aber nicht zu geben, die Würfel sind gefallen – das Festival kehrt gezwungenermaßen zu seinem ursprünglichen Format des eintägigen Konzertmarathons zurück.

Nun wird Schrumpfen hierzulande oft per se als negativ empfunden, wo doch immer noch viele dem Wachstum huldigen. In diesem Falle hat Walter Fuchs jedenfalls vor, am verbliebenen Festivaltag geballte Qualität zu bieten, von 14 Uhr bis Mitternacht: mit vier US-Bands aus der oberen Liga. Eine steht bereits fest – Monroe Crossing werden nach Bühl kommen. Auch die weiteren Namen sind bekannt, die Verträge allerdings noch nicht unterzeichnet. Wenn das endgültige Line-up steht, werden wir´s weitergeben.

Walter Fuchs hofft nun, dass durch die Reduzierung das Festival keinen allzu großen Image-Verlust erleidet: Der Vertrauensvorschuss in dieses Festival war von Seiten des Publikums riesengroß. Ein großer Teil unserer Besucher hatte ja am Ende des Festivals ihr Hotelzimmer oder ihre Ferienwohnung schon wieder für das kommende Jahr reserviert. Qualitativ soll es keinen Einbruch geben, denn dies könnte ich nicht mittragen, schreibt er. Die Gefahr, dass der Initiator des Festivals die Segel streicht, scheint noch nicht ganz gebannt – je nachdem, wie die Reaktionen auf die Streichung des zweiten Tages ausfallen, könnte er doch noch den Hut nehmen wollen. Was uns allen nicht gefallen dürfte. Der Freitag weg, dafür knallt’s am Samstag, fasst Walter Fuchs die Lage zusammen. Ein kleineres, aber immer noch feines Bluegrass-Festival in Bühl ist jedenfalls tausendmal besser als gar keins. Und Bühl blieben nur die Pflaumen.

Es gibt wieder Punsch!

Ach, wie schwer fällt es doch bei grellem Sonnenschein, über Punsch zu schreiben. Und doch muss es sein! Denn es kündigen sich die Brüder des Punsches an, erneut die alte Welt zu bereisen und hier und da zu musizieren! Kaum also sind die New Yorker Punch Brothers kurz im Lande gewesen, schon heißt es: Da sind sie wieder! Und zwar zu einer umfangreichen Tour durch europäische Länder, die am 22. Oktober in Köln beginnt und am 18. November in Antwerpen endet. Dazwischen liegen außer Terminen in Berlin und Hamburg etliche Dates im Vereinigten Königreich und in Benelux – die vollständige Übersicht findet sich hier. Es scheint also tatsächlich Wirklichkeit zu werden, den großartigen Chris Thile und seine ebenso fabelhaften Mitmusiker einmal persönlich auf einer Bühne erleben zu können – in Köln für 23,50 Euro -, und in diesem Preis sind sogar noch die überhaupt nicht zu verachtenden Carolina Chocolate Drops enthalten, die den Support bestreiten. Ja wo sind wir denn? Und mittendrin in der Punch-Tour dann noch am 27. Oktober Blue Highway in Oldenburg? Sage nochmal jemand, Mai wäre der Bluegrass-Monat. Es wartet ein goldener Herbst – zumindest im nördlichen Teil Deutschlands!

Bachgrass in Telluride

Es scheint, als ob bald ein neues Genre benannt werden muss – der Stil Bachgrass! Jedenfalls nahmen sich die Punch Brothers unter Verstärkung von Rob Moose das Dritte Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach vor. Wenn das Bill Monroe wüsste! Doch das Festival in Telluride, von dem die Aufnahme stammt, ist ja eh bekannt für seine Grenzüberschreitungen. Die frische Bergluft!

 

Emmitts lange Straße

Längst ist Drew Emmitt ein alter Hase auf dem Feld der akustischen Musik. Seit 25 Jahren treibt sich der Leadsänger und Mandolinenspieler von Leftover Salmon auf den US-amerikanischen Bühnen herum – mit der Band, aber genauso als Solokünstler. Sein jüngstes Album Long Road von 2008 ziert eine lange Liste prominenter Gastmusiker, darunter Andy Hall und Chris Pandolfi von den Infamous Stringdusters, Darrell Scott, Alison Brown, Tim O’Brien, um nur einige zu nennen. Aber seine eigene Band benötigt im Grunde nicht zwingend Unterstützung, wie der Clip mit einer psychedelisch angehauchten Version des Album-Titeltracks zeigt. Es klingt jedenfalls nicht nach übrig gebliebenem Lachs. Emmitt spielt eine Mando von Nugget und eine Mandola aus dem Hause San Juan Mandolins – deren Mandolinen offenbar auch Anthony Hannigan vom Hickory Project bevorzugt. Und damit ab dafür!


Nein, das ist nicht Bernd Gassmann, der zur Mando gewechselt ist!