Mandoline Schlagerstar

Ich hab eine kleine braune Mandoline/die begleitet jeden Sonntag mich ins Grüne: So singt es Sam Baskini und lässt sich dazu von seinen Jazz-Symphonikern begleiten. Eine Mandoline kommt als Instrument da nicht vor. Aber trotzdem spielt sie die Hauptrolle in diesem kleinen Schlager der Zwanzigerjahre. Sam Baskini nahm eine Reihe von Liedern auf, mit originellen Titeln wie Zuerst ein Schnäpschen und dann ein Küßchen und Mein Schatz ist ein Matrose mit einer blauen Hose. Nach 1933 war es dann vorbei mit dem fröhlichen Singen – der aus Weißrussland stammende Baskini war wegen rassischer Gründe im Unterhaltungsgeschäft der Nazis nicht mehr gefragt. Er ging nach Argentinien, verfiel dem Alkohol. Nicht einmal das Jahr seines Todes lässt sich offenbar bestimmen. Aber das Liedchen von der Mandoline bleibt.

Simfy macht lauschen leicht

Möglicherweise bin ich mal wieder nicht auf der Höhe der Zeit. Trotzdem die Frage: Kennt Ihr Simfy? Es handelt sich dabei um einen dieser Anbieter, die das Streaming von Musik via Internet ermöglichen. Etwas Ähnliches also wie last.fm. Von Millionen abspielbarer Titel wird da geprahlt. Und weil man als Liebhaber einer Nischenmusik solche Superlativen kennt, lacht unsereins erstmal skeptisch auf. Aber gucken kann man ja mal. Ums kurz zu machen: Er lohnt sich tatsächlich, der Blick ins Simfy-Archiv und die kostenlose Registrierung. Ein Kurzcheck zeigt, dass offenbar niemand unserer Lieblingsmandolinisten fehlt: Thile, Bush, O‘ Brien, sogar Mike Marshall taucht auf und Caterina Lichtenberg mit dem Duo Galante. Selbst Donnie Stiernberg fehlt nicht, anscheinend kommen sie alle mal vor. Auch ein Kurzblick ins Bluegrass-Genre zeigte keine eklatanten Lücken, was die Künstler anging. Natürlich nicht in dem Sinne, dass von allen alle Alben gespeichert sind. Aber beachtlich auf jeden Fall, und völlig legal sich das anzuhören. Simfy ist im Mai 2010 in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestartet, also ein heimisches Gewächs. Heimatadresse Köln-Ehrenfeld, Vogelsanger Straße. Vielleicht geht mal was von hier aus um die Welt. Auf jeden Fall mal hereinschauen und -hören, Freunde des Hobels!

Ashby kommt für Jesse

Vor geraumer Zeit haben wir es uns geschworen – den Mandolinenspieler Ashby Frank im Auge zu behalten. Nun gibt es Neues von ihm zu berichten: Zwar tourt er gerade noch mit Alecia Nugent, doch am 2. Juli tritt er seine neue Arbeitsstelle an, und zwar bei Michael Cleveland & Flamekeeper. Von Clevelands alter Band bleibt künftig fast nichts übrig, die vakanten Plätze sind aber mit Ashbys Einstieg wieder alle besetzt. Er ersetzt den vielfach ausgezeichneten Jesse Brock an der Mandoline, 2009 IBMA-Mando-Spieler des Jahres. Wie heißt es doch? Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. Und wir drücken dem sympathischen Kerl die Daumen für den neuen Job. Zum Abschied nochmal im alten Kontext:

Videoschatz auf NPR

Die Substanz von Musik zeigt sich gelegentlich erst dann, wenn sie auf das Elementarste reduziert wird – so wie bei den Tiny Desk Concerts von NPR: Der oder die Künstler stellen sich in der NPR-Musikredaktion auf und legen einfach los. Dass sie dabei gefilmt werden, freut uns – weil wir so auch in den Genuss der Klänge kommen. Und die entsprechenden Video-Podcasts sind archiviert und abrufbar über die NPR-Site, wenn man den Podcast abonniert. Für uns steht natürlich der Download des Auftritts von Chris Thile und Michael Daves ganz obenan, mit Songs ihres Albums Sleep With One Eye Open. Des Weiteren stehen Künstler wie Gillian Welch und Dave Rawlings, Los Lobos, Emmylou Harris und The Swell Season auf der Tiny-Desk-Liste. War es auf diesem Blog früher mal guter Brauch, Euch freitags mit einem Video ins Wochenende zu entlassen, so gibt es diesmal gleich einen ganzen Video-Schatz zu heben. Nun denn.

Einige von vielen

So verschieden die Menschenkinder auf unserem Erdenball, so bunt und vielfältig die Welt der Plektren! Es scheint unzählige von ihnen zu geben, große, kleine, bunte, graue, runde, spitze, dreieckige, teure, billige – wer wird sie je all kennenlernen? Unsereins gerät häufig durch Zufall dran, probiert sie an der Mandoline und in den eigenen Fingern. Manche landen sofort in irgendwelchen Schubladen, andere kommen in die engere Wahl. Solche, die den Ton nicht töten, sondern stützen, wenn nicht gar entfalten. Dazu gehören zweifelsohne die hier bereits behandelten Picks von Blue Chip. Die sind aber recht teuer. Es wäre also gut, auch Plektren in der Tasche zu haben, die günstig sind und dennoch angenehm klingen. Und die man ohne größeren Ärger auch mal verlieren darf. In diese Kategorie fallen die Spielplättchen von Awe-In-One. Die Firma sitzt in Singapur und verfügt über eine große Bandbreite verschiedenster Plektren. Einige von ihnen sind durchaus empfehlenswert auch für die Mando – wobei das natürlich immer unter dem Vorbehalt persönlicher Präferenzen gesehen werden muss. Ein Lieblingsplec ist eine sehr individuelle Sache.

Allein die Größe: Das kleine, 1.4 mm dicke Profound I in Dark Purple dürfte nicht jedermanns Geschmack sein. Es klingt aber ordentlich und lädt zum Schnellspielen ein, gleichsam wie ein verlängerter Fingernagel. Etwas größer, aber immer noch ziemlich gefühlsecht, kommt das ebenfalls 1.4 mm messende Shred 1 in Weiß daher – mit erstaunlich warmem Ton. Nicht mehr so ganz mein Geschmack, da schon deutlich dicker, dürfte das transparente Thrash II aber all jenen entgegenkommen, die gern mehr in der Hand haben. Allen dreien gemeinsam und überhaupt ein Kennzeichen der Awe-In-Ones sind die drei verschiedenen Ecken: spitz, weniger spitz und schon fast rund. Das gibt Raum zum Experimentieren, zumal die Plektren ihren Charakter auch noch von Vorder- zu Rückseite verändern sollen. Die Website liefert da genaue Erläuterungen. In Deutschland sind die Plecs beispielsweise bei Tone Toys erhältlich. Versuch macht kluch.

Dunkles Purpur oder …

… unschuldiges Weiß?

Bluegrass am Stiel mit Stil

Sonne, Strandbar, Bluegrass am Stiel, Verzeihung: Eis am Stiel: Was wie Urlaub klingt, war das dritte GrevenGrass-Festival gestern in – na, in? Greven, exakt! Und wem Sonne und Alkohol noch nicht das Hirn zermartert hatten, durfte ein abwechslungsreiches und in großen Teilen ansprechendes Programm genießen. Wir Freunde der Mandoline konnten uns über Leute wie Sam Hain, Lachlan Davidson und Uli Sieker freuen – und Jeroen von Rocks & Ivy. Diese belgische Band aus Antwerpen/Deventer geht mit ordentlich Punch zur Sache, hört hört, möchte man da ausrufen!

Und was war mit dem Top-Act aus Kanada, den vier Mädels von Oh My Darling? In Holland hatte ich sie verpasst, aber jetzt! Keine Mandoline dabei, was uns – und da erhebe ich mahnend meine Stimme – als Freunde der Flitsch aber auf keinen Fall von guter Musik fernhalten sollte. Und in diese Kategorie fiel das Konzert auf jeden Fall. Alles sehr gute Instrumentalistinnen, wobei vor allem Bassistin Marie-Josée Dandeneau auffiel, die im Oldtime-Rahmen manch abgefahrenes Zeug gespielt hat. Außerdem strömten die vier jede Menge Energie aus. Wer sie mal erleben möchte: Es stehen noch einige Termine in Deutschland und den Niederlanden an.

Die volle Wahrheit hinter Oh My Darling sieht allerdings folgendermaßen aus: Vorne stehen die hübschen Mädels und hinter der Bühne ihre vier sehr hässlichen Männer, die in Wahrheit die Instrumente spielen. So aber haben alle was davon. Oder handelt es sich dabei nur um ein Gerücht? Egal, Kostprobe her!

Im Bluegrass-Dorf

So viel Live-Bluegrass in letzter Zeit, so viele Töne um die Ohren, so viel passiert – trotzdem soll nicht alles unter den Tisch fallen. Natürlich bildet das EWOB-Festival in den Niederlanden eine zentrale Größe. Viel Musik und Spaß hatte aber auch die zweite Internationale Bluegrass Night Berkenroth am Himmelfahrtstag zu bieten. Ein Dorf, ein Haus und viele Enthusiasten und freiwillige Helfer haben es möglich gemacht, ein kleines Festival mit Hochkarätern auf die Beine zu stellen. An die 300 Menschen drängten sich im Gemeinschaftshaus des Ortes in der Gemeinde Nümbrecht – eine beachtliche Resonanz. Und auch die beteiligten Musiker äußerten sich sehr zufrieden mit Atmosphäre und äußeren Bedingungen. Unter schlechteren Umständen wäre es möglicherweise auch nicht zu munteren Sessions in der Garderobe gekommen, wo etwa die Looping Brothers fröhlich mit den Musikern von Valerie Smiths Liberty Pike jammten. So, und jetzt sollen noch ein paar Fotos sprechen.

Unser Mando-Mann Uli Sieker.

Das große Finale. Natürlich mit dem Circle-Song.

VS und Liberty Pike auf ihrer ureigenen Farm.

Die mit dem flotten Bogen: Becky Buller.

Backstage war´s auch schön.
(Fotos: Martin Grund)

Die andere Seite der Welt

Auf die andere Seite der Welt hat es die Davidson Brothers aus Australien verschlagen. Während sie in den USA schon häufiger zu Gast waren, absolvierten sie ihren ersten Europa-Auftritt am vergangenen Samstagabend beim EWOB-Festival in Voorthuizen/NL. Kurz vor halb zwölf nachts kamen sie auf die Bühne – erst am Tag zuvor waren sie in Amsterdam gelandet. Man kann sich den Jetlag lebhaft vorstellen! Von Erschöpfung beim Auftritt allerdings keine Spur. Während Hamish Davidson für Banjo und Fiddle zuständig ist, lässt Bruder Lachlan die Finger über seine von John Liddy gebaute Mandoline flitzen. Keine Frage: Lachy gehört zu den Leuten, die verdammt gut mit dem Gemüsehobel umgehen können. Verstärkt um Gitarre und Bass spielten die Brüder energievolle Songs, etwa Born To Play: You were born to work/I was born to play heißt es im Text – dabei könnte das Höllentempo der Davidsons durchaus in Arbeit ausarten. Für Freunde der Mando sei auf Left Hand Drive hingewiesen, ein verschärftes Instrumental.

Wermutstropfen für diejenigen, die die Studioaufnahmen kennen: Die Dobro fehlt und wird dann auch schmerzlich vermisst. Auf dem nächsten Album der Brüder, das am 1. Juli erscheint, wird es sie aber wieder geben – diesmal gespielt von Randy Kohrs. Auch weitere Gastmusiker auf Here To Stay gehören zur ersten Kategorie in Nashville: etwa Bryan Sutton an der Gitarre und Mike Bub am Bass. Eine erste Vorstellung des neuen Werks liefern die Davidson Brothers selbst via Video: Achtung, australischer Akzent! Wer das Quartett in Deutschland sehen will, sollte sich den 11. und 12. Juni vormerken. Dann findet zum dritten Mal das GrevenGrass Bluegrass Festival in Greven an der Ems statt, bei dem auch die Brüder am Start sind – an dieser Stelle sei vorab dafür geworben.


Lachlan mit Liddy (l.), Hamish mit Fiddle beim ersten Europa-Auftritt.

Norway rules!

Es kann nur eine geben, die 2012 kostenlos nach Nashville zum IBMA-Festival fliegen darf. Und zwar die mit dem Titel European Bluegrass Band Of The Year. Der wird vergeben im Rahmen des EWOB-Festivals in Voorthuizen/NL – so geschehen gestern kurz nach 23 Uhr. Und was soll man dazu sagen? In diesem Jahr hat Norwegen regelrecht abgeräumt, alle zwölf Punkte gingen an die Band Lucky Lips aus Oslo mit ihren drei Frontfrauen, die offenbar mit ihrem an Barbershop angelehnten Gesang und der frischen Brise den Großteil ihrer Musikerkollegen überzeugt haben. Auch der zweite Rang ging an eine norwegische Gruppe, und zwar an die Earlybird Stringband. Aber halt, da gab es doch noch einen weiteren echten Titel: den Audiance Award, will sagen: Publikumspreis. Und selbst den holten sich Norweger, die von Ila Auto. Beim Gewinner dürften sich Hardliner fragen: Bluegrass mit Waschbrett, ist das noch Bluegrass oder schon Skiffle? Egal, egal – gefallen dürfen sie einem trotzdem.

Lachen mit Steve #3

Zum Abschluss unserer kleinen Anekdoten-Reihe rund um Stephen Gilchrist folgt heute der dritte Teil: Es geht um die Mandoline mit der Nummer 500.

Nur zum persönlichen Gebrauch bestimmt – das war die F-Mando von Gilchrist mit der laufenden Nummer 500. Der Meister beging allerdings den Fehler, das Instrument auf eine Reise nach Nashville mitzunehmen, wo es Mike Compton in die Hände fiel, der überhaupt nicht mehr davon lassen konnte und offenbar so lange gequengelt hat, bis er die #500 behalten durfte. Er hat sie dann auch einige Jahre gespielt, beispielsweise auf dem Soundtrack von O Brother, where art thou?. In der Zwischenzeit hatte Stephen Gilchrist eine andere Mandoline zum persönlichen Gebrauch gebaut – doch auch die kam dem gierigen Compton unter die Augen und Ohren. Es wurde getauscht: Steve hatte seine #500 wieder!

Damit aber nicht genug. Längst hatte jemand anderes die #500 in den Blick genommen: Martino Coppo, Mandolinenspieler der italienischen Bluegrasser von Red Wine. Steve sollte ihm unbedingt Bescheid sagen, falls er diese Mando jemals verkaufen wollte. Er wollte im Grunde nicht, aber seine neue Werkstatt hatte noch kein Dach. Das war des Italieners Glück – er kaufte die #500 und Gilchrist konnte das Dach decken. Bislang ist nicht bekannt geworden, dass Martino die Gilchrist wieder hergegeben hätte. Von Australien nach Nashville nach Genova: Diese Mando hat die Welt gesehen.

  Mann mit Gilchrist hat gut lachen.