Servierte Akkorde

Viele behaupten ja, dass es einer genau festgelegten und ein bisschen komplizierten Choreografie bedarf, wenn eine Bluegrass-Band um nur ein Mikrofon herum spielt. Ich unterstütze diese Ansicht. Aber was unsere englischen Freunde vom Ukulele Orchestra of Great Britain an der Zwergengitarre hier anstellen, wirkt für mich erstmal deutlich anspruchsvoller. Und nach dem ernsten Ärger von gestern darf man heute auch mal wieder lachen.

Lob der Haltung

Es hat nichts mit Mandolinen zu tun, ja, nicht einmal etwas mit Musik, sondern mit: Haltung. Offenbar wird es immer schwieriger in diesem Land, Haltung zu zeigen. Anders ist es kaum zu erklären, dass Judith Holofernes, Frontfrau von Wir sind Helden, einen solchen Wirbel verursacht – mit ihrer Weigerung, Teil einer Werbekampagne für das Schmierblatt Bild zu werden. Wo leben wir denn, dass jemand aus dem öffentlichen Leben scheinbar Angst haben muss, etwas gegen die Bild zu sagen? Wenn ich Frau Holofernes‘  Antwort auf das Ansinnen der Bild-Werbeagentur Jung von Matt lese, wird mir regelrecht warm ums Herz. Dass Promis mit dem Argument geködert werden sollen, dass für ihr Mitwirken Bild jeweils 10.000 Euro an einen guten Zweck spendet, lässt mich müde lächeln. Leute wie Philipp Lahm und Thomas Gottschalk könnten doch eine Spende in dieser Höhe locker aus ihrer Portokasse bezahlen, ohne dafür Männchen für das Boulevardblatt machen zu müssen.

Das Argument der Werbeagentur, die Promis hätten in der Kampagne die Möglichkeit, ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen, ist albern: Das könnten Promis a) auch ohne Werbekampagne in Talkshows o. Ä. erledigen und b) sind sie so oder so im Boot der Bild, ob sie sich auf Riesenplakaten oder TV-Spots nun positiv oder negativ äußern. Ich könnte brechen bei so viel Verlogenheit. Und wehe, jetzt behauptet jemand, Judith Holofernes hätte das nur getan, um das neue Album der Band zu promoten. Dann käme ich aus dem Kotzen, Reihern und Göbeln nicht mehr raus. Selbst wer mit der Musik nichts anfangen kann – ich finde, diese Haltung fordert Solidarität.

Viel Geld, viel Klang?

Kaum zu fassen, aber wahr: In Chicago bietet ein Fachhändler das teuerste Instrument dieses Erdballs an. Die von Giuseppe Guarneri 1741 gebaute Geige wäre für lausige 18 Millionen Dollar zu haben. Was sind da 300.000 für eine Mandoline von Lloyd Loar? Gut, die ist auch knapp 200 Jahre jünger als die Guarneri. Jetzt würde ich doch tatsächlich gern wissen, was eine Loar im Jahr 2250 kosten wird. Zum Spielen sind diese alten Instrumente allerdings nicht gedacht, sondern zum Spekulieren und Wegschließen. Manche uralten Geigen namhafter Meister müssen noch nicht einmal toll klingen. So gibt es laut Geigenhändler Dietmar Machold eine Stradivari, die Lady Blunt von 1721, die aber auch gar nix taugt: Diese Geige ist in einem perfekten Zustand der Erhaltung, befindet sich aber tonlich etwa auf dem Niveau einer 1000-Euro-Geige, bekundete er jüngst gegenüber dem Fono Forum.

Immer mehr klassische Musiker stellen sich allerdings die Frage, die unsereins sich auch stellt – die nach dem Preis-Leistungsverhältnis. Schließlich gibt es auch neue Violinen, Violas und Celli aus Meisterwerkstätten, die klanglich auf der Höhe sind. Statt für den Preis eines Einfamilienhauses gibt es Geigen des angesagten Meisters Stefan-Peter Greiner schon für 30.000 bis 40.000 Euro! Und manchem fällt es schwer, den klanglichen Unterschied zwischen einer teuren Gibson-Mando und einer günstigen China-Loar für 700 Euro festzustellen. Das Verhältnis ist ähnlich. Drum prüfe, wer sein Konto plündert, ob er nicht noch was Günstigeres findet.


18 Millionen Dollar? Viel Holz.

Äpp statt Nepp

In manchen Haushalten läuft immer ein Computer. Und wenn er sowieso schonmal eingeschaltet ist, kann man ihn ja auch als Hilfsmittel zum Musikmachen nutzen – ob Anfänger oder Fortgeschrittener. Beispielsweise indem man The Mandolin Tool anwendet, ein Freeware-Programm, das außer einem Tuner und einem Metronom und einem Audio-Player vor allem eine umfangreiche Datenbank mit Skalen und Akkorden vorhält. Und das nicht nur für Mandoline, sondern zudem für Ukulele, Banjo und Gitarre. Nichts Weltbewegendes, aber dennoch ein hübsches kleines Werkzeug, um mal schnell was nachzuschlagen – wenn der Rechner sowieso schon rattert. Und außerdem hat die Firma Tomkysoft mit dem stilisierten Mando-Schneckerl ein hübsches Logo. Unsere Sympathie haben sie. Hier geht´s direkt zum Download.

Grammophone alle weg

Zwar waren jede Menge bekannte Namen aus der Szene in mehreren Kategorien nominiert, doch gingen Bluegrass-Größen wie Sam Bush und Ricky Skaggs leer aus. Den Grammy gestern Nacht im Sektor Bluegrass konnte sich Patty Loveless für ihr Album Mountain Soul II abholen. Alle anderen hier mal erwähnten Nominierten mussten sich bei der After-Show-Party nicht mit zusätzlichem Gepäck in Form eines goldenen stilisierten Grammophons herumschlagen.

Und Frau Lieblos, was macht die so? Samples des Grammy-geadelten Albums lassen sich auf ihrer Website anhören. Kann man aber auch bleiben lassen. Mich lässt das extrem kalt. Country-Gedudel statt saftiger Roots-Musik. Danach wendet man sich wieder liebend gern den Steeldrivers zu – zum Beispiel.

Wer, wenn nicht Opdenhövel?

Die deutsche Fernsehunterhaltung scheint dem Tode geweiht: Gottschalk hört zum Sommer mit „Wetten, dass …“ auf! Großes Aufjaulen allerorts. Das ZDF führt die Sendung aber weiter. Wer der neue Moderator sein wird? Verrät der Sender noch nicht. Gibt´s denn überhaupt schon einen? Mir fällt nur einer ein, der nachfolgen könnte und in puncto Frechheit und Schlagfertigkeit Gottschalk locker übertrifft: Matthias Opdenhövel – im Übrigen nicht nur Gladbach-Fan, sondern auch ein großer Freund der populären Musik. Aber ob der sich das antun möchte? Wahrscheinlich bucht das Zweite aber sowieso eher einen Warmduscher der Marke Kai Pflaume.

Bei der Gelegenheit sei ein Zitat von Steffen Möller aus seinem Buch Vita Classica weitergegeben: In den Medien dominieren deshalb die Jungdoofen, die hart an ihrer lebensbejahenden Infantilität arbeiten. … Und so kommt es, dass sechsjährige Kinder im Laufe eines einzigen Tages schlauere Sachen sagen als sechsunddreißigjährige TV-Moderatoren in einem ganzen Jahr Frühstücksfernsehen.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Brodelndes Jamboree

Das ganze Wochenende habe ich in der Gerüchteküche gestanden und sie zum Brodeln gebracht! Was dabei herausgekommen ist? Das Line-up fürs nächste Bluegrass Jamboree im kommenden Dezember! Denn wie heißt es so schön nach Sepp Herberger, dem Vater des deutschen Bluegrass: Nach dem Jamboree ist vor dem Jamboree. Weil es so schön geköchelt hat, kann ich schonmal auf eine wunderbar abwechslungsreiche Mischung hinweisen, die uns Rainer Zellner Ende des Jahres wahrscheinlich präsentieren wird.

Wie bereits Tradition, wird einer der drei Acts ein Duo sein, das vorwiegend dem Oldtime-Lager verpflichtet ist. Diesmal kommen Cahalen Morrison und Eli West, und was von den beiden Männern auf der Website zu hören ist, klingt durchaus beeindruckend. Multiinstrumentalist Cahalen (was für ein Vorname!) und sein Partner bieten so viel Abwechslung, wie es ein Duo nur kann – von Oldtime über Countryblues bis Folk reicht die Bandbreite. Slidegitarren, Banjos, Mandolinen, Gitarren: All das kommt zum Einsatz, und zwar überzeugend.

Dann werden The Deadly Gentlemen auf dem Programm stehen, die bekanntlich ihre akustische Musik mit Elementen aus Hip Hop und weiteren aufputschenden Ingredienzien mischen. Wer´s genauer wissen will – ihre neue CD steht kostenlos zum Download auf deren Website bereit. Einige der Musiker sind alte Bekannte, etwa Banjospieler Greg Liszt (Crooked Still, Springsteens Seeger Sessions) und Sam Grisman, Davids Leibesfrucht. Bei dem weiß man aber nie so genau, ob er mit den Gentlemen unterwegs ist oder gerade wieder den Bass in seines Vaters Band zupft. Wir lassen uns überraschen.

Fehlt noch die dritte Band. Und die besteht mit Della Mae ausschließlich aus Frauen! Wer könnte da etwas gegen haben? Zumal die Damen auch noch Musik machen können. In den USA tauchen sie mittlerweile schon bei großen namhaften Festivals auf, spielen beispielsweise in diesem Jahr das RockyGrass Bluegrass Festival. Und Mike Marshall haben sie auch gefallen. Aber wehe mir kommt zu Ohren, dass sich die Herren im Publikum die Bandmitglieder anschauen, als ob es die Spice Girls wären! Von wegen: Mir gefällt die Rothaarige am besten! – Nein, die Brünette ist´s! Ihr Leser hier habt sowieso keine Wahl und müsst Jenni Lyn Gardner wählen: Die spielt nämlich Mandoline im Quintett. Und nun nach so vielen Worten noch ein paar Takte Musik.

Was aufs Kissen

Was entzückt durch Deutschland tourende, US-amerikanische Musikerinnen? Die schönen deutschen Männer? Die wunderbaren Fachwerkhäuschen? Ja, natürlich, all dies auch. Aber besonders bejubeln sie das, was die Bassistin von Joy Kills Sorrow, Bridget Kearney, so freudig erregt: die Gummibärchen auf den Kissen der Hotelbetten! Und kaum hat sie diese ihre Freude auf Facebook verkündet, meldet sich schon die nächste: Brittany Haas, Fiddlerin von Crooked Still, erinnert sich daran, während deren Deutschland-Tour ebenfalls in den Genuss der Bärchen-Sitte gekommen zu sein und fügt hinzu, dass sie neidisch auf Bridget sei. Hallo da in den USA, hallo da im Dunstkreis von Crooked Still: Könnte  vielleicht jemand der armen Brittany abends mal was aufs Kopfkissen legen? Wenn´s keine Gummibärchen sind vielleicht ein Stück Schokolade oder ein Marshmellow? Tut einem ja im Herzen weh.

Mandolinenbruder Jacob

Der Mann ist jetzt 22 Jahre alt. Und wenn er auf der Bühne steht und Mandoline spielt, bekommen seine Augen so einen Ausdruck – entweder ist es LSD oder er taucht tief tief ab ins Spiel und in die Konzentration. Zweifelsohne gehört Jacob Jolliff zu den besten Mandolinenspielern seiner Generation (Klassiker ausgenommen). Als Achtjähriger hat er mit der Mando begonnen. Damals startete der Vater eine Umfrage unter ihm und seinen Geschwistern: Welches Instrument sie denn wohl gern spielen würden? Jake entschied sich für unseren geliebten Hobel. Seitdem ist er dabei geblieben und war der erste Student am Bostoner Berklee College of Music, der dort in Vollzeit Mandoline studieren darf. Dass er bereits mit Mike Marshall, David Grisman und John McGann zusammen Musik gemacht hat, mutet da fast wie eine Selbstverständlichkeit an.

Seine Instrumenten-Biografie startete wie die von vielen: Die erste Mandoline war eine günstige Kentucky, dann war´s schon eine Weber, danach folgte eine Rigel und inzwischen spielt er hauptsächlich das Sam-Bush-Signature-Modell von Gibson. Die Gibsons sind ziemlich unterschiedlich, ich hab eine gute erwischt, bestätigt Jake Jolliff den mit Zweifeln behafteten Ruf der Gibson-Mandos. Wobei wahrscheinlich keine wirklich schlecht klingt, man jedoch die Preis-Leistungs-Relation sehen muss. Für sein virtuoses Spiel nutzt Jake Picks von Blue Chip, aber nur solche mit einem pointed edge, also einer Spitze. Mit den abgerundeten kann er nichts anfangen.

Seine musikalische Heimat hat er derzeit bei Joy Kills Sorrow gefunden, spielt aber außerdem noch in der Band Mutual Kumquat. Die kommt aus Michigan, USA, und die Mitglieder leben in den Städten Ann Arbor und Ypsilanti. Liegt Letztere nicht in Hessen? Egal. Wir hören und sehen Jacob Jolliff nun also mit Mutual Kumquat – schon wieder kein Bluegrass.

Freude tötet Trübnis

Eine Hommage an den gestrigen Abend muss sein. Joy Kills Sorrow spielten in Heiligenhaus und präsentierten sich als eine der spannendsten jungen Akustik-Bands aus den USA. Eigenwillige Songs mit teils mehr, teils weniger Kanten, in denen sich die Einflüsse aus Pop, Folk, Jazz, Bluegrass, Country und Blues mischen; instrumentale Virtuosität, mal zum Gas geben, mal zu atmosphärischer Dichte genutzt: Das Quintett aus Boston hatte etliches zu bieten. Die Dynamik der Live-Performance, das Songwriting, die Arrangements – es lassen sich viele Pluspunkte aufzählen. Manches mag ein wenig akademisch oder verkopft erscheinen, insgesamt überwiegt aber der Zauber eines musikalischen Kollektivs, auf dessen zweites Album man eine gewisse Vorfreude entwickeln darf. Auch die Coverversionen des Abends wirkten wie JKS-Stücke und fügten sich organisch ein, etwa Hank Williams´ Weary Blues From Waitin´ oder – als Rausschmeißer – Jackson Brownes Doctor My Eyes. Und von Mandolinenspieler Jacob Jolliff wird hier noch zu reden sein. Ein paar JKS-Konzerttermine in Deutschland stehen noch aus …

Bluegrass selbst gemacht

Nicht jeder ist so wie unsere Lena. Die meisten haben mal klein angefangen und nicht gleich groß. Und vor allem für Starter ist wohl die Website DIYBluegrassbiz.com gedacht. Dort finden sich jede Menge Tipps für Bluegrass-Bands, um im Musikgeschäft voranzukommen. In erster Linie für die Situation in den USA geschrieben, findet sich auf jeden Fall auch für Bands in Deutschland viel Interessantes. Ob´s nun darum geht, warum und woran Bluegrasser scheitern, welcher Weg zu einem guten Live-Sound führt, welches Marketing Erfolg verspricht oder selbst Hilfe bei der Suche nach einem Bandnamen – die Artikel der Site können helfen. Und was dort nicht steht, findet sich womöglich in der riesigen Link-Liste; die allerdings tatsächlich vor allem Musiker in den Staaten nützen wird. DIY=Do It Yourself. Also ab in den Bluegrass-Heimwerkerkeller!