Die Freude, sich zuzuhören

Der Weg führt uns vom Ohrwurm „Midnight Moonlight“ gestern über die Peter Rowan/Tony Rice-CD „Quartet„, auf der dieser Klassiker enthalten ist, zur Mandolinenspielerin Sharon Gilchrist, die ihren Part auf den Aufnahmen des Albums überzeugend gestaltet. Sowieso haben sich die beiden alten Herren mit Gilchrist und Bassistin Bryn Davies zwei junge Frauen an ihre Seiten gestellt und sich so vielleicht musikalisch einen fünften Frühling hergezaubert. Das hat wohl gut zusammengepasst.

2008 widmete Bill Graham in seiner Kolumne Sharon Gilchrist einen ausführlichen Text.  Mittlerweile lebt sie in Santa Fé, New Mexico, und arbeitet als Mando-Lehrerin. Komischerweise gibt es keine Verwandtschaft mit dem Mandolinenbauer gleichen Namens, aber sie spielt eines seiner Instrumente. Ehrensache! Jedenfalls äußert sie sich in dem Feature zum Mandoline spielen: „Wenn Du anfängst darüber nachzudenken, was du spielst, bist du verloren. Mein Sound entsteht dadurch, dass ich aufpasse und spiele, was ich höre. Diesen Sound akzeptieren, ihn annehmen, so wie er ist: das ist es, was mich glücklich macht und was ich aufregend finde am Musizieren. “ Von diesem Punkt aus ist sie dabei, ihr Spiel zu entwickeln. Und das klingt sehr voll und sehr warm. Einfach angenehm zu hören. Schade, dass sie nicht mehr in den Reihen von „Uncle Earl“ steht, sonst könnten wir sie im Mai hierzulande erleben. Wir warten weiter.

Das mitternächtliche Mondlicht

Wo kommen sie her, wo gehen sie hin, die Ohrwürmer dieser Welt? In diesem Fall kenne ich die Urheber: Auf ihrem neuen Album „Durango“ spielen die „Coal Porters“ aus England dieses Stück. Und darauf habe ich es gestern gehört. Der Autor singt im Übrigen gleich mit auf „Midnight Moonlight“ – Greenwich-Village-Urgestein Peter Rowan. Dieser Chorus geht wirklich sehr ins Gedächtnis ein, den pfeift man unversehens vor sich hin. Viele haben das Stück gecovert, darunter auch die „Grateful Dead“. Hier eine bestimmt 20 Jahre alte Fassung von Rowan, dargeboten mit Unterstützung einiger fernöstlicher Freunde. Ach, wir werden alle nicht jünger.

Alles Gute kommt von oben

Mike Marshall hat es auf dem Workshop neulich in Solingen vorgeführt: einen speziellen Sound auf der Mando zu erzeugen, indem man die Saite nicht von der Seite (hehe) anschlägt, sondern von oben herab auf sie herunterdrückt. Dann wird alles holziger. Und kräftig. Und hat er nicht gesagt, er habe diesen Tipp von Caterina Lichtenberg, unserer Classic-Queen an der Mando? Dabei saß die selbst unter den Teilnehmern des Workshops mit der Begründung, gern ein paar „schmutzige Tricks“ kennenlernen zu wollen. Ja Moment mal, was gibt es denn Schmutzigeres, als von oben die Saiten praktisch in die Decke hineindrücken zu wollen? Ist ja wohl die Sauerei schlechthin. Würd ich mich auch nur bei G- und D-Saite trauen. Nicht dass die anderen, dünneren Dinger beim Drücken reißen! So viel Geld für neue Saiten pro Monat habe ich ja auch nicht parat. Also Vorsicht beim Ausprobieren. Und heda! Meier II in der letzten Bank! Drücken, nicht Reißen!

Aktion Gutes Hören

Es ist schonmal schön, sich mit jungen Menschen zu umgeben. Ihr Gehör funktioniert so fabelhaft! Als ich einmal ein junges Mädchen in meiner Wohnung zu Gast hatte und der betagte Fernseher ohne Ton vor sich hinlief, klagte es über ein lästiges hohes Zirpen. Ich hingegen konnte nichts feststellen und hielt die Hübsche für übergeschnappt oder tinnituskrank. Doch sie wanderte im Raum umher und lokalisierte schließlich die Quelle des Sirrens – es war, längst habt Ihr es erraten, der alte Fernseher. Manchmal also steigert schlechtes Hören die Lebensqualität. Möglicherweise hat Tim O’Brien im Umgang mit der Jugend ähnlich interessante Erfahrungen gemacht und steht deshalb gern mit Guthörern wie den „Deadly Gentlemen“ Sam Grisman, Greg Liszt und Alex Hargreaves samt Sarah Jarosz auf Bühnen und spielt „Nelly Cane“ – bitte sehr!

Radio hängt voller Banjos

Das ist nun wahrhaftig nicht unsere Aufgabe, aber mir ist bekannt, dass auch Banjo-Spieler dieses Blog lesen. Daher ein kleiner Service für sie wie auch für andere offengeistige Menschen. Zum einen sendet WDR 5 heute abend um 23.10 Uhr ein Feature über das Banjo, in dem prominente Figuren deutschen Banjoschaffens zu Wort kommen. Dem Vernehmen nach sind unter anderem Rüdiger Helbig, Bernd Gassmann und Günter Ahmendt dabei. Fast eine Stunde lang ist zum anderen das Feature von Christoph Wagner zur „Odyssee des Banjos von den Anfängen bis zur Gegenwart“, das der Deutschlandfunk am Sonntag, 31. Januar, um 15.05 in seiner Reihe „Musikszene“ ausstrahlt. Unter uns gesagt: Anhören, denn man muss seine Feinde kennen, um sie schlagen zu können.

Rhapsodie in Blue(grass)

Keine Ahnung, warum mir heute so nach „Hayseed Dixie“ ist – vielleicht hat es was mit dem Workshop gestern zu tun, bei dem Herr Mike Marshall unterrichtete und ich mich so überfordert gefühlt habe. Und Hayseed Dixie machen auch schwierige Dinge einfach: Auf ihrer neuen CD „Killer Gras“, die am 7. Februar erscheinen wird, befindet sich eine Bluegrass-Version von „Bohemian Rhapsody“ – bisher nur als Schnipsel zu hören. Aber der lässt die Richtung erkennen. Hier kommen sie aber mit einem anderen Klassiker. Sie besingen das, auf dem ich die Jungs nicht sehen möchte …

Heidensummen, Höllengeld

Vor etwa 20 Jahren gab es für 20 Mark Eintrittskarten für Konzerte – oder wie man heute sagt: Tickets. Nicht für die Bands der allerersten Kategorie, aber doch für Künstler wie Bruce Cockburn oder Gil Scott-Heron. Heute kostet die billigste Karte für die anstehende Tournee von U2 umgerechnet 180 Mark. Fällt jemandem noch was ein, was in diesem Zeitraum derart kostspielig geworden ist? Woran das liegt, erläutert der britische Musikjournalist Simon Frith in einem Interview mit „Spiegel Online“. Für ihn ist vor allem der drastische Rückgang der CD-Verkäufe ein Grund: Die Künstler müssen ihr Geld nun vor allem live verdienen. Und warum rennen trotz der immensen Preise so viele Leute in die Konzerthallen? Weil sich deren Budget laut Frith jetzt anders aufteilt – wer früher 100 Euro zur Verfügung hatte, hat es in Tonträger investiert, heute lädt er sich für vielleicht 10 Euro Musik herunter und hat das übrige Geld für Live-Auftritte übrig. Geht diese Rechnung auf? Auf den Massenmarkt bezogen, wird er wohl Recht haben. Aber für weniger prominente Musiker kann die Digitalisierung mit ihren vereinfachten Produktions- und Vertriebsmöglichkeiten auch Vorteile haben. Und in der Bluegrass-Nische sind die Konzertpreise glücklicherweise noch nicht auf U2-Niveau. Und werden dort auch hoffentlich nie hingelangen.

Tim, The Sultan Of Strings

Wir schreiben Januar 2010. Den Monat, in dem Tim O’Brien ins Studio geht, um eine neue CD aufzunehmen. Im Grunde wissen wir noch nichts darüber, außer, dass mindestens zwei Musiker der Nashville-Spitze mit dabei sein werden: Bryan Sutton an der Gitarre und Stuart Duncan an der Fiddle. Möglicherweise wird´s aber auch ein bisschen elektrisch. Jedenfalls hat der Meister kürzlich in einem Interview kundgetan, dass er bald wieder mit einer Band unterwegs sein möchte und Lust hat auf elektrische Instrumente, denn: „Ich suche immer nach verschiedenen Wegen, um Musik zu machen.“ Unsereins sieht´s gelassen. Wir leben ja nicht in den 80er-Jahren, wo selbst verlässliche Größen der Rockmusik plötzlich an Geschmacksverirrungen litten. Nicht anzunehmen, dass Tim O’Brien irgendwie peinlich klingen könnte. Elektrisch wird es aber mit Sicherheit um ihn herum, wenn er im April und Mai die Tourband von Mark Knopfler verstärkt, der dann in Nordamerika unterwegs sein wird. Ob er ihn dann im Juni auch mit nach Deutschland bringt? Laut Plan jedenfalls nicht. Tims Neue soll übrigens noch dieses Jahr erscheinen, womöglich schon im Sommer.


Der hat nun keinen Grund, sich zu verstecken.

Jacob fegt die Trübnis weg

Es wird mal wieder Zeit, den Fokus auf einen jener talentierten Jungspunde zu richten, die uns ehrlich staunen lassen. Diesmal geht es um einen jungen Herrn, der mit sieben Jahren begonnen hat, Mandoline zu spielen – und bis heute nicht mehr aufgehört. Die Rede ist von Jacob Jolliff, zwei l, zwei f. Er stammt aus Oregon, studiert aber derzeit in Boston am Berklee College of Music, na was schon: Mandoline. Aufgefallen ist er mir auf der Debut-CD der Bostoner Band „Joy Kills Sorrow“ , deren Mitglied er ist und für die er einige heiße Soli eingespielt hat. Natürlich zeigt er auch auf einer eigenen Myspace-Seite sein Können, das eher in Richtung Chris Thile und Mike Marshall tendiert als gen Bluegrass – aber die Typen können ja alles spielen. Im Übrigen hat er mit so ziemlich jedem auf der Bühne gestanden, der in der Mandolinenwelt Rang und Namen hat. Wieder ein neues Glied in der Kette … Wobei mir aufgeht, dass wir ihn hier schonmal im Auge hatten – in der Gospelgrass-Band seines Vaters, der „Jolliff Band“. Da war der Jacob noch gaaaanz klein. Da müssen wir nochmal was sehen – und die fröhliche Dame am Bass ist auch wieder dabei!


Ist das christlich? Darf man so viele Töne in so kurzer Zeit spielen?

Absolute Wahrheiten aus der Bluegrass-Welt

Viele lesen gern die Bild-Zeitung, geben es aber nicht zu. Außerdem steht wenig über Bluegrass und Mandolinen drin. Da müssen wir uns wiederum den USA zuwenden. Dort erscheint online der „Bluegrass Intelligencer„, ein Magazin voller heißer Nachrichten aus der Bluegrass-Welt. So wird zum Beispiel berichtet, dass die Band „Mountain Heart“ von den Meldungen über Musikfolter in Guantanamo inspiriert wurde, jetzt härter, lauter und schneller als jemals zuvor zu spielen. Und dass Banjovirtuose Noam Pikelny durch seine neue haarige Gesichtstracht einen Meilenstein im modernen Banjospiel gesetzt hat. Und dass der Vintagebanjo-Experte Curtis McPeake die Herkunft eines alten Gibson-Teils lediglich durch Riechen und Schmecken klären konnte. Nicht zuletzt ist uns eine Meldung entgangen, nach der „mandolin icon and international playboy“ Mike Marshall im vergangenen Jahr erstmals durch den Wettbewerb „Miss Mandoverse“ geführt hat. Laut Bluegrass Intelligencer sollen in Rio de Janeiro zu den üblichen Präsentationen in Badeanzug und Abendgarderobe auch Tests in puncto Mandolinenkönnen und Kochkünsten gekommen sein. Am Ende hat Caterina Lichtenberg den Wettbewerb gewonnen und trägt heimlich den Titel „Miss Mandoverse“? Wer am 17. Januar nach Solingen zum Workshop mit Mike in die New Acoustic Gallery fährt, kann ihn ja mal danach fragen …


Skandalös: Mandolinist John Reischman ersetzt US-Musiker durch billige Kräfte aus China!

Bei Bushs zu Hause

Wenn Silberhochzeit gefeiert wird, kommt die gesamte Verwandt- und Bekanntschaft zusammen. Je nachdem, wer feiert, könnten auch Leute wie Jerry Douglas, Jeff Hanna und Del McCoury unter den Gästen sein. Okay, die würde hierzulande niemand erkennen. Aber als Sam Bush im vergangenen Oktober zur CD-Release-Party von „Circles Around Me“ lud, war das gleichzeitig die Feier zum 25. Hochzeitstag mit Eheweib Lynn. Bilder dazu kann man im „Sam Bush TV“ gucken – kein Scherz: Auf Sams Website tauchen immer wieder neue Videos auf. Da erzählt er uns was zu Stücken der neuen CD, wünscht mit wehem Fuß schöne Weihnachten und kramt in seiner LP-Sammlung, um einzelne Alben herauszugreifen und vorzustellen. Jaja, sowie uns ein Filmchen von der Silberhochzeit zu liefern. Mal gespannt, wie lange die Serie läuft und welche Platten er noch aus dem Schrank ziehen wird.

Über die Wupper in die Burg

George Orwell hatte „1984“, Gerhard Schröder sein „2010“, und da sind wir auch schon: frohes neues Jahr! Kaum hat 2010 begonnen, lauert für die Fans der mir am Herzen liegenden Bluegrass-Band „Covered Grass“ – und natürlich für die Band selbst – in der nächsten Woche schon ein erster Höhepunkt. Dann wird das Quintett die neue CD „C. G.“ vorlegen, seine erste echte Studioproduktion. Und zwar im Rahmen eines Konzerts im Burghaus von Wiehl-Bielstein am Donnerstag, 14. Januar. In dieser heimeligen Atmosphäre gab es bereits vor einem Jahr allerhand zu hören, und das vor vollem Haus. Wer also im Großraum Köln lebt, sollte sich zügig um Karten kümmern. Und ein paar bewegte Bildchen rund um die Aufnahmen in Wuppertal sollen hier nicht vorenthalten werden. Das gesamte Programm des Burghauses gibt es hier.